Gerade sitze ich mit Pascha und einem jungen Hahn im »Electritschco«, der langsamsten aller möglichen Regionalbahnen. Jedes mal, wenn ich mit dieser Bummelbahn unterwegs war, habe ich mich gefragt, wann denn endlich wer eine Ziege oder vielleicht ein paar an den Füßen aufgehängte Hühner mitbringt und nun sind Pascha und ich gerade noch rechtzeitig mit unseren Rucksäcken und einem Karton mit einem jungen, zum Glück eher stillen Hahn am Bahnsteig angekommen. Begleitet von leicht scheppernder Reggae-Musik aus den tragbaren Mini-Lautsprechern unseres Gastgebers Tori.
Auf dem Weg vom See Genezareth in den Süden fährt man auf der Autostrasse 90 durch das Jordantal. Ich bin diese Strecke inzwischen mehrfach getrampt und da es sich um die Territorries - also die im Sechs Tage Krieg 1967 besetzten Gebiete - handelt, gibt es dabei immer wieder spannende Erlebnisse. Als Tramper kommt man in den Territorries immer sehr schnell voran, da auch viele der jüdischen Siedler per Anhalter unterwegs sind. Die Bereitschaft Tramper mitzunehmen ist — wie eigentlich in allen ländlichen Gebieten Israels - sehr hoch.
Siedler sind zu meist sehr religiös und zum größten Teil der orthodoxen Glaubensinterpretation anhängig. Mit einer solchen Siedlerfamilie — oder nur einem kleinen Teil davon, denn sie haben im Durchschnitt mehr als vier Kinder — bin ich nun in einem kleinen, halb auseinander fallenden Seat in den Süden getrampt. Es wurde viel gesungen und reichlich religiöse Musik gehört. Der amerikanische Familienvater war — wie es sich in diesen Kreisen scheinbar gehört - mit einer Pistole bewaffnet. Aber daran ist man ja schon lange gewöhnt. Was mich mehr schockiert hat war, dass der 19-jährige Sohn eines Amerikaners kaum ein Wort Englisch über die Lippen brachte. Schon die Frage »How old are you?« ließ er sich von seinem Vater übersetzen. Ich habe mich nicht getraut zu fragen… aber ich hoffe mal ein wenig, dass er eine echte Lernschwäche hat. Auch wenn in Israel fürviele Immigranten das Hebräische erst einmal wichtiger ist, finde ich es schon ein wenig traurig, wenn die Muttersprache nicht an die Kinder weitergegeben wird.
Die letzten Tage habe ich in Sevastopol unter Anderem damit verbracht, mit meiner kreativen Gastgeberin Marisha einen kleinen Film zu drehen. Mit Spiegelreflex und Wachsschnecken
Sderot liegt in »the South« — was nicht unbedingt das Gleiche bedeutet, wie im Süden von Israel. Dort gibt es nämlich, von einigen kleinen Siedlungen abgesehen, außer Wüste und dem Ferienort Elat so ziemlich gar nichts. Auf der geistigen Landkarte der urbanen Israelis jedenfalls liegt Sderot ziemlich weit ab vom Schuss. Oder auch mitten drinnen: nur wenige Kilometer von der Grenze zu Gaza entfernt.
In den letzten acht Jahren — das heißt seit April 2001 — landeten hier wahrscheinlich die meisten selbstgebastelten Katjuscha-Raketen der Hamas. Es liegt auf halbem Weg zwischen Gaza und der Farm des Ex-Staatschefs Ariel Sharon — einem attraktiven Ziel fürdie Raketenschützen.