Ukraine
WOHNEN IN KHARKOW
Unsere kleine Wohnung befand sich mitten im Zentrum von Kharkow. Sie zu bekommen kostete mich neben reichlich Nerven auch eine ganze Portion Gottvertrauen. Nachdem wir mit Alonas Russischkenntnissen und der Unterstützung von Juric und Ivanka beim Zeitunglesen und Anrufen nicht so recht voran kamen, habe ich einen Hilferuf an die gesamte Kharkower Couchsurf-Gemeinde losgeschickt. Mehr als zwanzig Menschen fragten ihre Freunde und Bekannten oder informierten mich über Aushänge und Mitwohngelegenheiten.
In den Zeitungsanzeigen steht zwar dick und fett »kein Makler«, doch Papier ist geduldig und schon ist man wieder an einen der vielen zwielichtigen Genossen geraten. Einmal bin ich trotz besseren Wissens und eines schlechten Gefühls im Magen auf einen reingefallen. Mit Olessia, meiner Übersetzerin aus den Seminaren sind wir — der Anzeige zur perfekten Wohnung folgend — im Büro der Dame gelandet. Sie versicherte auf mehrfache Nachfragen, dass es drei Wohnungen gäbe, die meinen Wünschen entsprechen und sie noch am selben Tag angesehen werden und gemietet werden können. Das klang doch recht verlockend nach einer Woche erfolgloser Suche und ich habe mich schließlich überzeugen lassen, die 300 Grivna (ca. 25€, eine ganze Menge Geld in diesem Land) Vermittlungsgebühr zu bezahlen. Den Rest des Tages haben wir schließlich damit verbracht, zu versuchen wenigstens einen der »fest vereinbarten Termine« wahrzunehmen. Eine Telefonnummer war schlichtweg nicht erreichbar, eine weitere wollte eigentlich gar nicht vermieten, vielleicht nächste Woche, und bei der dritten Adresse war niemand anzutreffen. Die Maklerin war nachdem sie unsere beiden Handynummern je einmal beantwortet hatte nicht mehr erreichbar — reingefallen. So eine Dreistigkeit und Verlogenheit überstieg sogar meine düstersten Erwartungen.
Erst als ich mein Budget auf 220€ im Monat erhöhte, wurde ich schließlich fündig. Auch hier angeblich kein Makler. Der vierschrötige Typ, der uns die Wohnung zeigte, zeigte deutliche Spuren eines längeren Gefängnisaufenthalts. Nach langen und zähen Verhandlungen über die verhältnismäßig moderne Zweizimmerwohnung im Stadtzentrum wurden wir uns schließlich einig. Doch eine weitere spannende Nacht stand noch bevor. Die Miete habe ich gleich in Bar bezahlt und auch einen Schlüssel bekommen. Doch einen Vertrag oder eine Quittung über die Zahlung wollte der Gute erst am nächsten Tag machen. Zur obskuren Bestätigung seiner Vertrauenswürdigkeit zeigte er uns noch einen 500€ Schein — nach dem Motto ich habe Geld, ich bin kein armer Mann, ich muss euch nicht reinlegen. Woraufhin ich übersetzten ließ, dass er ja vielleicht so viel Geld mit sich rumschleppen kann, weil er so gerne Leute übers Ohr haut. Irgendwie hatte ich trotz des eher abschreckenden Äußeren ein halbwegs gutes Gefühl und habe mich auf den unkonventionellen Deal eingelassen. Nach einer Nacht des Bangens zeigte sich aber, dass wir einen zwar etwas schroffen, aber durchaus vertrauenswürdigen Vermieter gefunden hatten.
Alona war zu diesem Zeitpunkt gerade in Kiew bei Verwandten zu Besuch und ich hatte noch zwei Tage, mich ein wenig einzuleben, bis Jacqueline zu ihrem dreiwöchigen Besuch aus Deutschland eintraf. Eine eigene Wohnung für mich alleine, warmes Wasser, eine Badewanne, so was hatte ich schon lange nicht mehr. Zwar war die Wohnung möbliert, doch zu einem halbwegs vollständigen Haushalt fehlte es zum einen an Gemütlichkeit und zum anderen an einigen Haushaltsartikeln. Meine Reiseküche besteht nämlich nur aus einem kleinen Topf, Salz und einigen Gewürzen.
April 20th, 2010 at 11:09
meeeeensch thorsten, datt hört sich ja interessant an! das musste mir mal vis–à–vis erzählen. (falls du nochma in schland vorbeiguckst ) greetz !
April 20th, 2010 at 11:10
… seh grad, dass das unter dem komplett-artikel steht. ganz speziell meinte ich das mit dem aikido-meister
April 20th, 2010 at 11:40
Werd ich auch mal wieder. Wahrscheinlich bin ich am 22. Juni in Heggelbach bei meiner Schwester. Ein kleinen niedliches festival. Sobald ich mehr weiss, gibt es noch ne email Einladung.